Jugend auf dem Land engagierter als in Städten

STUTTGART. Neue Studie bringt Erkenntnisse über Verhalten und Interessen von Zwölf- bis 18-Jährigen in Baden-Württemberg

Das Land Baden-Württemberg hat eine Studie veröffentlicht über das Verhalten und die Interessen von Zwölf- bis 18-Jährigen. Ein Ergebnis: Jugendliche in ländlichen Regionen sind engagierter und politisch interessierter als Gleichaltrige in Städten.

Jugendliche im Alter von zwölf bis 18 Jahren, die in ländlichen Regionen leben, unterschieden sich in einigen Lebensbereichen im Handeln und Denken von Gleichaltrigen, die in Städten oder Ballungsräumen wohnen. Dies ist das Ergebnis einer Studie der Jugendstiftung Baden-Württemberg im Auftrag des Ministeriums für Ländlichen Raum. Befragt wurden im Zeitraum von August 2020 bis Dezember 2021 insgesamt 1409 Jugendliche. Diese kommen aus 40 der 44 Stadt- und Landkreise im Südwesten. 949 der Befragten leben in ländlichen Regionen, 460 in der Stadt und in Ballungsräumen.

Engagement und politisches Interesse

So gaben 39 Prozent der Jugendlichen im ländlichen Raum an, sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich zu engagieren. In der Stadt sind es nur 30 Prozent. Die Jugendlichen würden sich vor allem in Vereinen oder politischen Strukturen engagieren, heißt es in der Jugendstudie. Im ländlichen Raum sei das Gemeinschaftsgefühl ausgeprägt, was dazu führe, dass sich Jugendliche „aktiv in Prozesse der Gemeinschaftsgestaltung einbringen und als Gesprächspartner ernst genommen und gesehen werden wollen“, heißt es. Der Einsatz bei der Feuerwehr oder für Rettungsdienste spielt bei der Landjugend eine wesentlich größere Rolle als bei ihren Altersgenossen in urbanen Gegenden. Dasselbe gilt auch für das traditionelle Vereinsleben.

Was bewegt junge Menschen?

Zudem erklären 27 Prozent der Befragten aus ländlichen Regionen, ihre Umwelt mitgestalten zu wollen. In der Stadt sind es 23 Prozent. Daher geben auch 70 Prozent der Jugendlichen außerhalb der Verdichtungsregionen an, politisch interessiert zu sein. In der Stadt sind es 63 Prozent. Spätestens mit der Fridays-for-Future-Bewegung sei politisches Engagement unter jungen Menschen angesagt gewesen, schreiben die Verfasser der Studie. Jugendliche machten ihre Anliegen deutlich und würden Bewegungen über Social Media organisieren. Themen wie die Klimakrise oder die Geschlechtergerechtigkeit stünden in ihrer Agenda ganz oben. Mädchen seien politisch interessierter als Jungs. Weiter kam heraus, dass Jugendliche auf dem Land naturverbundener sind als dies in urbanen Gegenden der Fall ist. 23 Prozent aus dem Land gaben an, die Natur sei in ihrem Wertekonstrukt wichtig, in der Stadt waren es 16 Prozent.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Laut Peter Hauk (CDU), Minister für Ländlichen Raum im Südwesten, sei es mit Blick auf die demografische Entwicklung interessant zu erfahren, was gerade jungen Menschen wichtig sei, die außerhalb der Städte und Ballungszentren Baden-Württembergs lebten. „Dass wir nun gezielt Stadt-Land-Unterschiede herausarbeiten, ist eine neue Sichtweise. Tatsächlich teilen Jugendliche in Stadt und Land viele Gemeinsamkeiten, aber es gibt auch einige Dinge, die sie unterscheiden“, erklärte auch Wolfgang Antes, Geschäftsführer der Jugendstiftung Baden-Württemberg.

Ländliche Region als späterer Wohnort

Bemerkenswert sei der hohe Anteil der jungen Menschen, die als Erwachsene gerne auf dem Land wohnen würden, so Hauk. Dies gaben 40 Prozent aller Befragten an. Bei den Jugendlichen aus ländlichen Regionen lag der Wert mit 42 Prozent kaum höher als im Schnitt. „Damit die damit verbundenen Erwartungen auch in Erfüllung gehen, müssen wir auf allen politischen Ebenen die Belange junger Menschen bewusst in den Blick nehmen“, sagte der CDU-Politiker. Unterschiede gibt es auch bei der Ausbildung. So gaben 25 Prozent der Jugendlichen aus ländlichen Regionen an, sie würden lieber eine Ausbildung machen als studieren. Bei den Gleichaltrigen in den urbanen Regionen erklärten dies nur 18 Prozent. „Auf dem Land ist das Interesse an Handwerksberufen größer als in der Stadt. Dort sind Berufe in der Verwaltung oder im IT-Bereich beliebt“, heißt es in der Studie. Interessant ist auch: Mehr als jeden zweiten Jugendlichen mit Migrationshintergrund auf dem Land zieht es in die Stadt.

Heilbronner Stimme. Freitag, 11. Februar 2022.